Das Rezept zum Mißerfolg

Karikatur von Klaus Stuttmann (Danke!)

Von ***, einem Whistle-Blower eines konservativen politischen Think-Tanks wurde SPD-erneuern.com eine Darstellung zugetragen, wie die politischen Konkurrenten über die SPD denken. Sie haben einen Kriterienkatalog aufgestellt, anhand dessen sie abschätzen wollen, ob der Erneuerungsprozeß der SPD sich zu einem Erfolg entwickelt – oder nicht. Im folgenden referiert SPD-erneuern.com die zentralen Thesen des umfangreicheren Papiers: Welches sind die Elemente, die die Sozialdemokraten auf ihrem Weg in den Mißerfolg begleiten, welche Ziele und Vorstellungen treiben sie von ihren potentiellen Wählern weg?

Gegen Rechts!

In der antifaschistischen Volksfront-Tradition erfolgt eine Binnen-Mobilisierung unter dieser Parole. Dabei wird geflissentlich übersehen, daß Teile der Anhängerschaft „rechter“ Parteien ehemalige SPD-Wähler sind und teilweise dem soziologischen Muster eines SPD-Stammwählers entsprechen. Die plakativen und populistischen Parolen „gegen Rechts“ schweißen nur den linken Rand zusammen und stoßen oft jene ab, die sich wohl gegen Extremismus wenden, aber die politischen Probleme mit kühlem Kopf lösen wollen.

Der Kader ist alles.

Der linke Kader hält zusammen und schiebt sich in die Funktionärs-Posten und -Pöstchen und blockt alle Linienabweichler ab. Dabei wird als unwesentlich angesehen, daß es dem demokratischen Charakter von Parteien entspricht, wenn sie ein breites Meinungsspektrum abbilden und damit einen erheblichen Teil der Wählerschaft widerspiegeln. Innerparteiliche Erfolg der „Linken“ sind das einzige Ziel, die Wählerschaft wird nicht weiter in den Blick genommen, da man annimmt, daß die entweder so denken, wie die „Linken“ auch oder eben zu den Gegnern gehören. Zudem erwecken Linke den Eindruck, Wahlergebnisse würden im Himmel beschlossen und man selbst sei eigentlich nicht in der Lage, sie zu beeinflussen. Deswegen wird die Volksfront-Strategie als Weg zum Erfolg verklärt, nach der man nur genügend „fortschrittliche“/“linke“ Parteien und Gruppierungen zusammenaddieren müsse, um eine Mehrheit zu erhalten.

Bloß keine Neuen!

Wenn sich Menschen als Quereinsteiger für Mitmachen und Mandate interessieren, werden diese mit der Empörung begrüßt, die sich aus der Erfolglosigkeit langjähriger Funktionäre speist. Ihnen wird vorgeworfen, daß sie nur eben mal hier auftauchen würde, und daß sie die letzten 20 Jahre keine Plakate geklebt hätten. Damit werden alle Ansätze von Parteistrategen aus dem Willy-Brandt-Haus, mit Quereinsteigern die SPD näher an die Wirklichkeit zu bringen, zunichte gemacht.

Solidarität mit Hausbesetzern/alternativen Lebensentwürfen u.ä.: Relativierung des Rechtsstaates

Die z.B. in Berlin von Teilen der SPD vehement vertretene Forderung, auf die Räumung besetzter Häuser und die Strafverfolgung in diesen Objekten zu verzichten, zeigt ein gerütteltes Maß an Ablehnung des Rechtstaates, der für die Rechtssicherheit und das Sicherheitsgefühl der großen Mehrheit der Bürger unabdingbar ist. Willkür zugunsten der eigenen Klientel ist ein Garant für das Abwenden weiter Gruppen von Wählern weg von der SPD. Ist aber auch ein Zeichen für die angewandte Volksfront-Strategie.

Kritik an Islam und Islamismus ist Rassismus!

Religionskritik gehörte einstmals zum Kern der intellektuellen Bemühungen der Aufklärung, mit dem Ziel, den Menschen aus seiner Unmündigkeit zu befreien. Das richtete sich im Europa der frühen Neuzeit vor allem gegen die christlichen Kirchen. Es ist folglich irritierend, wenn heute gerade von „Linken“ der „Islam“ von Religionskritik ausgenommen wird und jede kritische Äußerung als „Islamfeindlichkeit“ denunziert wird.

Wenn die Ablehnung des Islamismus noch konsensfähig ist, wird aber schon eine kritische Sicht auf religiöse, kulturelle und soziale Traditionen, die sich unter den Muslimen in Europa zeigen, generell als Rassismus bezeichnet. Dabei wird ignoriert, daß die vielfältigen islamischen Traditionen auch Vorstellungen und Einstellungen mit sich bringen (können), die schwer vereinbar mit den Werten sind, nach denen wir hier in Europa leben wollen. Und dazu zählen nicht nur erschreckend weit verbreitete antisemitische Einstellungen. Insbesondere auch der politische Islam, wie er sich im Umfeld der Muslim-Bruderschaft in vielen Ländern entwickelt hat, ist auch für islamische Kulturen ein Rückfall. Vergleiche man nur einmal das Ägypten der 1950er Jahre mit heute. Wenn wir heute vor allem mit den konservativen, häufig vom Ausland stark beeinflußten Islam-Verbänden kooperieren und die europäischen Muslime eines liberalen Euro-Islam ohne Unterstützung im Regen stehen lassen, fördert das nicht die Integration, sondern die Ab- und Ausgrenzung. Insofern ist eine Abwehr von auf den Islam gerichteter Religionskritik ein Element, das die Entfremdung zwischen linker SPD und der potentiellen Wählerschaft fördert. Es ist eben das Vertrackte an der Wirklichkeit, daß sie nicht verschwindet, wenn man die Augen vor ihr schließt.

Umverteilung aus Neid.

Konzepte wie ein bedingungsloses Grundeinkommen oder die Beschränkung der Einkommensspanne nach dem 1 – 12 – Modell finden bei vielen richtigen „Linken“ große Zustimmung und sind ein Garant dafür, daß sich alle abwenden, die eine Abhängigkeit vom Staat und ein Verzicht auf Leistungsanreize als wichtig ansehen. Dabei wird erfreulicherweise aus dem Blick gedrängt, daß eine Vermögenssteuer, eine Anschärfung der Steuerprogression und eine Erbschaftssteuerreform durchaus Elemente einer realistischen Politik für mehr soziale Gerechtigkeit sein könnten. Eine sozialdemokratische Politik des sozialen Aufstiegs und sozialen Ausgleichs wird ersetzt durch eine allgemeine Versorgungspolitik für alle.

Außenpolitik: Blütenträume statt Verantwortung

In der Außen- und Sicherheitspolitik wird demonstriert, daß die SPD die aktuellen Herausforderungen bestenfalls partiell zu sehen bereit ist. Da wird von Atomwaffenfreien Zonen schwadroniert und die Sicherheitskonzeption der letzten Jahrzehnte komplett ignoriert. Auf die Sicherheitsbedrohungen der EU durch Nachbarn im Osten wird mit Vogel-Strauß-Politik reagiert. Stattdessen findet man in der russischen Politik angeblich zuverlässige Partner und übersieht geflissentlich deren aggressiven Imperialismus. Im Alleingang gegen die Interessen der EU-Partner werden Vorhaben wie eine weite Öffnung der Grenzen für Einwanderer postuliert oder das North-Stream-II Projekt vorangebracht. Als Kompensation verweigert man jedes weitere Engagement in der Verbesserung der militärischen Zusammenarbeit, die leider sehr notwendig ist. So verliert man Vertrauen in die außenpolitische Kompetenz der Partei.

Verliebt in Mißerfolg und Rechtgläubigkeit.

Es ist wichtiger, „links“ zu sein als auf Zustimmung bei breiten Wählergruppen zu stoßen. Je weniger gesellschaftliche Gruppen in der lokalen und regionalen SPD repräsentiert sind, desto leichter ist es, eine „linke“ Hegemonie in der SPD zu behaupten. Auf Berliner Verhältnisse bezogen: In Dahlem ist es gut und leicht, „links“ zu sein.

Ein paar Rechte schieben wir nach vorn.

Da die SPD-Linke kaum ein die Wähler überzeugendes Personal aufzubieten hat, werden erfolgreiche Sozialdemokraten, die häufig dem rechten Flügel zuzurechnen sind, auf die ersten Plätze gestellt. In deren Windschatten hofft dann der linke Flügel, in Pöstchen und Mandate zu kommen, um die eigenen Vorstellungen durchsetzen zu können. Vorstellungen, die als solche bei den Wählern nur sehr begrenzt goutiert werden. Die zentralen Figuren des linken Flügels treten nicht an und nicht hervor, sondern bleiben hinter der Hecke, um von dort auf die Vorleute zu schießen. Sie ahnen zu Recht, daß kaum einer von ihnen viele Wähler zu überzeugen vermag.

Erfolgreiche Vorleute werden intern geschmäht und diffamiert.

Gerade die in der Landes- und Bundespolitik erfolgreichen Sozialdemokraten werden mit Verachtung und Schmähkritik überzogen. Das ist auch eine leichte Übung, da keiner der Nörgler jemals in die Lage kommen wird, es besser machen zu müssen.

Wir setzen nicht auf die brennenden Themen, sondern immer auf etwas daneben.

Nicht nur die Wiederzulassung linksextremistischer Aktionsräume (und deren staatliche Unterstützung) wird gefordert, auch z.B. die Abschaffung der Schuldenbremse. In der Praxis sah das so aus, daß die Linken zuerst große Teile des Wohnungsbestandes in öffentlichem Besitz verkaufen und nun wollen sie Käufer enteignen. Damit schafft linke Politik im Effekt eine zweifache Bereicherungsmöglichkeit für Immobilienbesitzer. Zunächst führen sie aber erst einmal einen Mietendeckel ein. Das führte zu einer weiteren Verknappung auf dem Wohnungsmarkt und offenbar zu einem blühenden Schwarzmarkt. Das selbst angerichtete Chaos eignet sich gut, um die Unmenschlichkeit des Kapitalismus zu illustrieren.

Das Papier des Think-Tanks der politischen Gegner schließt hoffnungsfroh, daß sich nunmehr ein über Jahrzehnte starker politischer Gegner durch eine Anverwandlung der SPD an die marxistischen und postmarxistischen Linken von selbst erledigen würde. Damit sei absehbar, daß sich die SPD politisch marginalisieren würde. Da das politische Momentum – der vormalige Genosse „Trend“ – heute eindeutig bei den GRÜNEN zu finden sei, solle man sich künftig mehr mit diesen beschäftigen als mit den Sozialdemokraten.

Soweit die Zusammenfassung des an SPD-erneuern.com zugespielten Textes. Es ist ziemlich frappant, wie konkret die Vorstellungen der politischen Konkurrenz über die Mißerfolgsfaktoren der Sozialdemokraten sind. Viele der genannten Konstellationen konnte der Blogger zu seiner Verblüffung in den letzten Monaten in seinem Umfeld beobachten. So als ob sich die regionalen SPD-Leute alle an die von unseren politischen Gegnern aufgestellten Mißerfolgsregeln halten würden.

Liebe Leserinnen und Leser, ich würde mich sehr freuen, wenn die von unseren politischen Gegnern genannten Elemente der Entwicklung der Sozialdemokratie nicht wirklichkeitswirksam wären, sondern die SPD einen mehrheitsfähigen politischen Kurs einschlüge. Daran sollten wir arbeiten.

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