Putins Freunde rechts und links

Karikatur: Klaus Suttmann

Putin bombt und mordet und bei uns in Deutschland steht ein großer Teil des AfD-Milieus hinter ihm, ebenso wie einige von den ganz Linken. Leider kann man nicht ausschließen, daß es auch in der SPD noch Leute gibt, die Sympathien für das putinistische Rußland und seine imperiale Politik hegen. Irritierend. Deshalb wollen wir mal überlegen, was könnte für ganz Rechte und ganz Linke so attraktiv an Russland, seinem Diktator und seiner Politik sein?

1. Scheinbare Eindeutigkeit. Das Weltbild, das von Putin vertreten wird, ist in dichotomischen Strukturen politischer Antagonismen gegliedert. Grautöne gibt es hier eher nicht. Das erleichtert die Orientierung in einer komplexen Welt ungemein, auch wenn es nicht zu einer Weltsicht führt, die empirischen Maßstäben standhält.

2. Das Selbstverständnis als Opfer einer feindlichen Umgebung. Die Umwelt außerhalb der Eigengruppe wird als feindlich wahrgenommen. Sie ist nicht nur einfach anders, sondern gegen mich gerichtet. Zumeist wird die Umwelt auch als feindliche Verschwörungsaktion wahrgenommen. Das Selbstbewußtsein als Opfer ist wichtig, um die eigenen Handlungen moralisch als Abwehrhandlungen zu legitimieren. Diese Handlungen können dadurch auch dann gerechtfertigt sein, wenn sie brutal und aggressiv sind und vollkommen gegen jede Moral stehen.

3. Das Selbstbewußtsein, eine tiefere Erkenntnis in die Weltenläufte zu haben. Die anderen verstehen es nicht, deswegen sind sie zumindest Unwissende, oder sogar Gegner oder Feinde.

4. Hypertrophe Identifikation mit der Eigengruppe. Die Eigengruppe ist alles, der Einzelne ist nichts (außer dem Führer). Das kann als Ultranationalismus seinen Ausdruck finden wie auch in der Identifikation mit einer besonders „linken“ Gruppe. Alle, die nicht zur Eigengruppe gehören, sind minderwertig, uneinsichtig, gegnerisch oder feindlich oder alles zusammen.

5. Autoritäres Gesellschaftsmodell. Die streng hierarchische Vorstellung von Gesellschaft gibt Orientierung und Halt, vermeidet Verantwortungsübernahme und Eigenverantwortung. Insofern ist sie auch ein Ausdruck von Bequemlichkeit, nicht nur von Sicherheitsbedürfnis. Wichtig ist die Unterwerfungsbereitschaft und die Bereitschaft, dem Führer zu folgen.

6. Ablehnung der Demokratie als Lebens-, Gesellschafts- und Regierungsform. Ablehnung von Mehrheitsentscheidungen. Die Formen demokratischer Auseinandersetzung mit Argumentieren, Überzeugen und Mehrheitsentscheiden werden komplett abgelehnt. Weil man selbst in höherem Wissen sich wähnt, sind alle anderen uneinsichtig. Und Debattieren ist überflüssig, weil sich der Stärkere durchsetzt. Es gilt das Recht des Stärkeren. Das demokratische Prinzip von der Stärke des Rechtes wird als schwächlich wahrgenommen.

7. Ablehnung von einer Gleichzeitigkeit und dem Nebeneinander verschiedener Lebensentwürfe. Da die Eigengruppe einen in der Regel vom Führer sanktionierten Lebensentwurf als identitätsstiftendes Moment teilt, ist die Abgrenzung zu anderen Lebensentwürfen und deren Abwertung ein zentrales Moment.

8. Faszination von autoritären Charakteren, ihnen gegenüber besteht eine starke Unterwerfungsbereitschaft. Vorbilder sind nicht Charaktere, die demokratische Mehrheiten bilden und in Bewegung setzen können, sondern Führer- oder auch Erlöser-Figuren, die vorgeben, ein höheres Wissen haben und ihre Anhänger klar auf eine irgendwie definierte Gruppe von Gegnern oder Feinden ausrichten können. Entsprechender Habitus der Überlegenheit wird als attraktiv empfunden (etwas nüchterneren Zeitgenossen erscheint das oft als lächerlich).

9. Der dichotomischen Weltsicht entspricht das politische Ziel, den eigenen Herrschaftsbereich geographischen klar gegen andere abzugrenzen. Einflußsphären zu schaffen, in die andere nicht hineinreden dürfen. Die Theorie dazu stammt von Carl Schmitt: „Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte“ (1939).

10. Selbstverständnis als Kämpfer. Die Art der Auseinandersetzung ist der Kampf, der ganz dinglich kraftmeierisch verstanden wird, nicht nur als Redeschlacht. In der Bildsprache von Diktatoren ist das auf den ersten Blick sichtbar. Putin als Judo-Kämpfer oder als Tarzan-Cowboy-Django auf dem Pferd in öder, feindlicher Wildnis. Aus der russischen und deutschen Geschichte kennen wir vergleichbare ikonographischen Darstellungen.

11. Eine – wie auch immer – besonders geartete Ideologie beschreibt eine Gegenwartsanalyse und ein Gesellschaftsmodell der Zukunft, in dem die Gegner und Feinde keinen Platz mehr haben. Die Gegenwartsanalyse wird auch gerne mit Verschwörungsmotiven strukturiert.

Wahrscheinlich könnte man die Liste der möglichen Berührungspunkte noch ein wenig verlängern. Aber für unsere Überlegungen sollen diese Punkte, die aus meiner Sicht die wesentlichen darstellen, zumindest einen Ausgangspunkt liefern. In die hier genannten strukturellen Elemente passen unterschiedlichste totalitäre Ideologien, und eben auch die putinistische Vorstellung von Russki Mir, der Russischen Welt.

De facto ist diese Welt jedoch eine, in der die Mehrheit einer Gesellschaft nicht leben möchte, bestenfalls gezwungenermaßen ausharrt, wenn sie nicht unterdrückt, verfolgt, eingesperrt oder ermordet wird.

Doch ist mir bewußt, daß alle diese Überlegungen in der aktuellen Situation, in der die russischen Soldaten wie gewöhnliche Verbrecher die Menschen in der Ukraine niederzumetzeln suchen furchtbar unangemessen sind.

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