Oder: Was erwarten die Wähler, was erwartet die Partei?
Nun hat die SPD vor einigen Tagen gezeigt, daß sie doch noch Wahlen gewinnen kann. Im Bund, in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern. In letzterem Fall sogar mit einer sehr deutlichen Mehrheit, die an Wahlsiege zum Ende des letzten Jahrhunderts erinnert. Von diesem Fall, der an Eindeutigkeit nichts missen läßt, soll im Folgenden nicht die Rede sein. Sondern von Berlin und dem Bundestagsergebnis.
Im Bund wie in Berlin hat die SPD Kandidaten – Olaf Scholz und Franziska Giffey – aufgestellt, die von der Funktionärsmehrheit der Bundes- und Landesparteiorganisation nur mit Murren und Unzufriedenheit mitgetragen wurden. Beide sind nicht sonderlich „links“. Daß das Murren öffentlich kaum vernehmlich war, war der Tatsache geschuldet, daß alle von rechts bis ganz links in der SPD wußten, wer den den Erfolg effektiv gefährden wollte, mußte nur von links herumkritteln. Soweit ist alles bekannt.
Die beiden Kandidaten haben Wähler überzeugen können, die offensichtlich in vorangegangenen Wahlen andere Parteien wählten, die Stimmenzunahme besonders bei der Bundestagswahl war beachtenswert und legt die Vermutung nahe, daß manch Wähler der sozialdemokratisierten Merkel-CDU nun mal wieder das Original wählte. Im Ergebnis gewannen die beiden Kandidaten mit einem politischen Programm, das die Wähler überzeugte, die Funktionäre der eigenen Partei aber nicht mittragen, sie wollen etwas anderes, mehr „links“. In Berlin ist das sofort sichtbar geworden, als einige Kreisverbände flugs, bevor die Stimmzettel eingepackt worden waren, eine Koalition mit den ganz LINKEN forderten. Zuvor hatte Kandidatin Giffey das Lieblingsprojekt der LINKEN, die Enteignung von größeren Wohnungsbesitzern, kategorisch abgelehnt. Nun gab es hierzu auch einen Volksentscheid, der eine deutliche Mehrheit für die Enteignung erbrachte. Ein Beispiel für die Differenzen, weitere tun sich auf bei der inneren Sicherheit u.a. Auf der Bundesebene ist die Konfliktlage noch nicht so klar erkennbar, doch frohlockt manch einer, daß in der SPD-Fraktion nun sehr viele junge seien, alles JUSOS, von denen man ausgeht, daß sie „links“ sind und diesen Flügel in der Fraktion nun verstärken werden. Im Bund ist die Sache dann doch nicht so einfach, da die LINKE dort derart geschrumpft wurde, daß sie für die Bildung von Regierungsmehrheiten untauglich ist.
Im Hinblick auf unser Thema – SPD erneuern – stellt sich also folgende Lage dar: Die SPD gewinnt Zuspruch und Wahlen, wenn sie sich an den politischen Wünschen einer irgendwie bürgerlichen Mitte orientiert (Leser unseres Blogs erinnern sich: Das Dänische Modell). Um das zu erreichen, stellte die linke Mehrheit in Bund und Berlin Kandidaten auf, die politisch weiter „rechts“ stehen als sie selbst. Mit den eher „rechten“ Positionen erfolgreich gewählt, sollen sie nun ein „linkes“ Programm realisieren, das die Wähler nicht gewählt haben. Wie die Gewählten aus diesem Dilemma herauskommen, wissen wir heute noch nicht. Aber eine Gefahr droht in allen Fällen: Daß die Wähler sich getäuscht fühlen und sich ihnen die SPD nicht als so seriös und zuverlässig darstellt, wie sie es erwartet haben und erwarten.